Fachkräftetour Region Köln - Duale Berufsausbildung und sinnerfüllende Arbeit
Auch im neuen Jahr setzt Arbeitsminister Karl-Josef Laumann im Rahmen der „Fachkräfteoffensive NRW“ seine Fachkräftetour durch die Regionen Nordrhein-Westfalens fort. Am 18. Januar 2024 informierte er sich vor Ort über die Fachkräftesituation in der Region Köln.
Kein zweiter Ort in Deutschland ist so eng mit der Chemiebranche verbunden wie Leverkusen, gelegen in der Arbeitsmarktregion Köln und erste Station auf der Fachkräftetour von Minister Karl-Josef Laumann im neuen Jahr. „Qualifizierte Industriearbeitsplätze wie in der Chemiebranche sind noch immer attraktiv und enorm wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft“, sagte der Minister gleich zu Beginn seines Besuchs. Doch die Branche steht vor großen Herausforderungen. Das betrifft die hohen Strompreise für die vielen energieintensiven Unternehmen in diesem Wirtschaftszweig genauso wie den Fachkräftemangel. Wirksamstes Mittel dagegen, stellte der Minister klar, ist die duale Berufsausbildung. „Deswegen“, so Karl-Josef Laumann, „wollte ich mir auch das Ausbildungszentrum im Chemiepark anschauen, weil das eine große Strahlkraft in die Region und die Unternehmen hier hat.“
Der Chemiepark ist das gemeinsame Produktionsareal mehrerer Chemieunternehmen. Betreiber ist die Currenta GmbH & Co. OHG. Sie ist zugleich Schulträger eines eigenen Berufskollegs mit einer Werkberufsschule und Fachschule für Technik. Hier werden Auszubildende in Kooperation mit ihren Ausbildungsbetrieben in den Bereichen Chemie, Pharmazie, Elektrotechnik, Metalltechnik und Wirtschaft auf die IHK-Prüfung vorbereitet. „So gelingt eine enge Verzahnung zwischen Theorie und Praxis. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, ausbildungsbegleitend die Fachhochschulreife zu erwerben“. so Currenta-Geschäftsführer Tim Hartmann während des Ministerbesuchs. Mit insgesamt 2300 Auszubildenden und jährlich knapp 700 neuen Auszubildenden leistet Currenta einen erheblichen Beitrag zur beruflichen Bildung, fügte Uwe Menzen, Leiter des Bereichs Bildung im Unternehmen, an.
Im Gespräch mit jungen Menschen aus den unterschiedlichsten Ausbildungsberufen, darunter einige, die sich zum Werkfeuerwehrmann oder zur Werkfeuerwehrfrau ausbilden lassen, ließ sich Minister Laumann über ihre Beweggründe bei der Berufswahlentscheidung und ihre Zukunftspläne berichten. Zuvor hatte er sich beim Rundgang ein Bild von der Ausstattung des Berufskollegs verschafft, das über modernste Technik, Labore und Werkstätten verfügt.
Für Jugendliche, die zunächst keine Lehrstelle gefunden haben, gibt es bei Currenta zudem eine besondere Fördermaßnahme, die überaus erfolgreich ist: 90 Prozent der Teilnehmenden können im Anschluss dann doch noch eine Berufsausbildung beginnen. Insgesamt also ein Angebot, das einem zentralen Anliegen des Ministers im Rahmen der Fachkräfteoffensive NRW vollkommen entspricht: „Wir kümmern uns ganz besonders um die jungen Menschen, denen der Übergang in Arbeit oder Ausbildung schwerfällt. Dazu stehen seitens des Landes jährlich rund 871 Coaches, Lotsen und Begleiter, darunter 81 Coaches in der Region Köln, mit ihren Angeboten für junge Menschen zur Verfügung.“
Regionale Fachkräftestrategien
Gleich nach dem Blick in die Praxis diskutierte Minister Laumann auf Schloss Morsbroich mit Vertreterinnen und Vertretern von Unternehmen, Kammern, Verbänden, Gewerkschaften, Organisationen sowie Beschäftigten und der lokalen Politik. Organisiert hatte den Fachkräfte-Kongress die Regionalagentur Region Köln. Nach der Begrüßung durch Uwe Richrath, Oberbürgermeister der Stadt Leverkusen, ging es in der von Blanka Weber moderierten Podiumsdiskussion um Themen wie Ausbildung, berufliche Qualifikation, regionale Fachkräftenetzwerke und das Fachkräftezuwanderungsgesetz.
Hier betonte der Minister, dass die Fachkräfteoffensive des Landes „auch regional stattfinden soll“. Konkret heißt das: „Jede Region sollte eine Idee davon haben, was bei Ihnen konkret ansteht. In der regionalen Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren kommt es darauf an, gemeinsam zu verabreden, wo akuter Handlungsdruck besteht und dann zu überlegen, was genau getan werden kann.“
Genau so ist die Region Köln vorgegangen, war bei der Podiumsdiskussion von Simone Marhenke zu erfahren. Sie ist Geschäftsführerin Aus- und Weiterbildung bei der Handwerkskammer Köln und hatte gemeinsam mit der Industrie- u. Handelskammer Köln, der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter Köln die „Schulhoftournee“ initiiert. Dabei fährt ein Bus zu den unterschiedlichen Schulen. In ihm können sich Betriebe über Ausbildungsbotschafterinnen und -botschafter präsentieren. Das Angebot richtet sich an Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 8, 9 und 10. Sie haben so Gelegenheit, im Klassenverbund und in Begleitung einer Lehrkraft jeweils eine halbe bis dreiviertel Stunde mit den Mitarbeitenden der beteiligten Institutionen sowie mit den jugendlichen Ausbildungsbotschafterinnen und -botschaftern ins Gespräch zu kommen und sich über mögliche persönliche Perspektiven nach der Schule zu informieren. Zudem können sie mittels praktischer Übungen oder Experimente mit technischem Equipment wie beispielsweise Virtual Reality-Brille Berufe unmittelbar erleben.
„Das ermöglicht, den Schülerinnen und Schülern direkt an den Schulen die Vielfalt der Ausbildungsberufe nahe zu bringen und das Interesse für eine Ausbildung zu wecken“, ist sich Simone Marhenke sicher. Wie gut das in der Praxis funktioniert, bestätigten bei der Podiumsdiskussion Ricarda Clevenbergh, Ausbildungsleiterin von der Suer GmbH & Co. KG sowie Ausbildungsbotschafter Mohammed Türkel.
Attraktive Arbeitgeber
Professor Dr. Karl-Heinz Gerholz von der Otto-Friedrich-Universität Bamberg lieferte im weiteren Veranstaltungsverlauf einen Impuls-Vortrag mit dem Titel „Fachkräftegewinnung und -bindung. Was erwartet die junge Generation?“
Wie berechtigt die Frage ist, veranschaulichte er am Mentalitätswandel der Generationen. Bei den Baby-Boomern (Geburtsjahrgänge 1950-1964) galt noch die Devise „Leben um zu arbeiten“. Arbeitsverständnis und Ansprüche an die Arbeitskultur waren ausgerichtet auf Arbeitsplatzsicherheit, Sichtbarkeit von Führung und Face-to-Face-Kommunikation. Ganz anders die Generation Z (1995-2009). Hier stehen Flexibilität, Arbeit im realen und virtuellen Raum sowie Sinn und Selbstverwirklichung im Vordergrund. Hier ist Coaching statt Führung gefragt.
Aus all dem müssen die Unternehmen Konsequenzen ziehen, ist Professor Gerholz überzeugt. Sie müssen sich umstellen bei der Personalgewinnung, -ausbildung und-bindung. Bei der Personalgewinnung ist „Active Recruiting“ gefragt, etwa durch die gezielte Suche nach geeignetem Personal im virtuellen Raum oder bei (digitalen) Jobmessen, am besten mit Event-Charakter.
Auswirkungen hat der Generationenwechsel auch auf die Personalausbildung. Micro-Learning gewinnt an Bedeutung, also die Gestaltung von Lernprozessen über kleine, didaktische Einheiten von fünf bis dreißig Minuten sowie eine „wechselhafte Informationsdarbietung“ mit Visualisierung, Videos, Text und Audio.
Um Personal zu binden, so Professor Gerholz weiter, empfiehlt sich ein Employer Branding, also die Schaffung einer attraktiven Arbeitsgebermarke. Angesprochen sind dabei die Handlungsfelder Freizeit und Gesundheit, Benefits und Gratifikationen, Weiterbildung und Entwicklungsmöglichkeiten, Organisationsgestaltung und interne Kommunikation. Hier gilt es, sich an den „Interessen und Bedürfnissen der aktuellen Generation“ zu orientieren. Für sie sind Flexibilität, Agilität und sinnerfüllende Arbeit kennzeichnend: „Relevant sind für sie Sinnerfüllung, Abwechslung und flexible Arbeitszeit, Workation und Home-Office.“
Eingehaltenes Versprechen
In einer abschließenden Panel-Reihe ging es noch einmal um die Themen Ausbildung, gezielte Weiterbildung, Flexibilität der Arbeitszeit in den Regionen sowie um das Anwerben von ausländischen Fachkräften– immer verbunden mit den Fragen: Was ist bereits gelungen, was ist noch zu tun? Dahinter steckte letztlich auch die Frage, ob das Versprechen der Fachkräfteoffensive NRW eingehalten werden kann, das lautet: Alle Menschen in Nordrhein-Westfalen, die sich mit ihrem Wissen und ihren Kompetenzen auf dem Arbeitsmarkt einbringen möchten, werden dazu die Chance erhalten. Der Minister: „Hier habe ich gesehen, dass es klappen kann.“